Bachelor- und Masterarbeiten in der Physikdidaktik
Zur Realität des naturwissenschaftlichen Unterrichts in den Klassenstufen sieben und acht – Eine empirische Studie an Bremer Oberschulen
Tabea Müller (M.Ed.)
Masterarbeit M.Ed. Gymnasium, Universität Bremen, Institut für Didaktik der Naturwissenschaften, Abt. Physikdidaktik
Betreuer: Prof. Dr. Horst Schecker
Fragestellung
Werden im NaWi-Unterricht der Bremer Oberschulen die Fächer Biologie, Chemie und Physik gleichwertig unterrichtet und wird damit dem Anspruch dieser Fächer in einem fächerübergreifenden Konzept nachgekommen?
Hintergrund
Durch die Umstellung des Schulsystems zur Oberschule werden die Fächer Biologie, Chemie und Physik in den Kassenstufen sieben und acht nicht mehr als Einzelfächer unterrichtet, sondern in einem gemeinsamen Fach Naturwissenschaften (NaWi). Dies bedeutet, dass Lehrkräfte, welche nur eine, bzw. zwei dieser Fachdisziplinen studiert haben, nun jedoch Inhalte aller drei Fächer unterrichten müssen. Somit stehen sie nicht nur vor einem fächerübergreifenden Unterricht, sondern auch vor dem Problem des fachfremden Unterrichtens.
Erhebungsinstrumente
Für die Analyse kommen alle Oberschulen des Landes Bremen in Frage, welche in den siebten und achten Klassen einen integrierten NaWi-Unterricht erteilen. Hierbei sollen die Eintragungen in die Klassenbücher mithilfe folgender Kategorien untersucht werden:
Die Anzahl der Stunden innerhalb eines Schuljahres, in denen NaWi unterrichtet werden kann:
Gesamtzahl aller NaWi-Stunden
Realzahl aller stattgefundener Stunden
Ausfälle
Sonstige Eintragungen, wie Ausflüge etc.
Keine Eintragungen
Die Zuordnung der Inhalte des NaWi-Unterrichts auf die Fächer
Biologe
Chemie
Physik
Anderes
Fächerübergreifende Stunden, in denen eine genaue Trennung der Disziplinen nicht vorgenommen werden kann
Prüfungen
organisatorische Stunden
und übrige Stunden, in denen z.B. Spiele gespielt oder Deckblätter angefertigt werden.
Die Zuordnung der Inhalte des NaWi-Unterrichts auf die Rahmenthemen des Bildungsplans
Schätze der Erde
Atmung und Luftqualität
Vom Acker
Alles in Bewegung
Von Sinnen
Kleidung – die zweite Haut
Anderes
Hauptuntersuchung
32 Klassenbücher von insgesamt vier Oberschulen. (Schule A – drei Klassen, Schule B – vier Klassen, Schule C – fünf Klassen, Schule D – vier Klassen).
Betrachtung der Inhalte über zwei Jahre.
Datenauswertung
Inhaltsanalyse der Eintragungen
Zuordnung in die Kategorien und Auszählung dieser
Die Zuordnung der Inhalte zu den jeweiligen Fächern erfolgt über eine Analyse der Rahmenthemen der Bildungspläne der Bremer Oberschule, sowie des Bremer Gymnasiums.
Ergebnisse
Der Bremer Bildungsplan
Annahme: Der Schwerpunkt bei der Zuordnung der Fächer zu den einzelnen Rahmenthemen ist nicht auf alle drei Disziplinen gleichmäßig verteilt.
Ergebnis: Bereits innerhalb des Bildungsplan wird deutlich – durch die Inhalte, sowie die Basiskonzepte – dass Biologie eine übergeordnete Rolle einnimmt. Physikalische und chemische Inhalte sind hier nur zweitrangig.
Verteilung der Fächer im NaWi-Unterricht an Bremer Oberschulen
Annahme: Im NaWi-Unterricht finden kaum physikalische Anteile Platz.
Ergebnis: Physik nimmt auch hier eine untergeordnete Rolle ein.
Biologie: 38 %
Chemie: 22 %
Physik 17 %
Anderes 23 %
Verteilung der Fächer auf die Rahmenthemen
Annahme: Einige Rahmenthemen weisen einen deutlichen Schwerpunkt zu einem Fach hin auf und auch die Rahmenthemen, deren Inhalte eigentlich gleichmäßig verteilt sind, besitzen eine deutliche Gewichtung in eine Richtung.
Ergebnis: Die Verteilung der Fächer auf die Rahmenthemen ist nicht gleichmäßig
Annahme: Die Rahmenthemen werden in einer unterschiedlichen zeitlichen Gewichtung unterrichtet. Dies geschieht mit besonderer Behandlung der biologisch orientierten Inhalte.
Ergebnis: Eine gleichmäßige Behandlung der Inhalte ist unüblich. Schätze der Erde, Von Sinnen, Alles in Bewegung und Vom Acker liegen hierbei über den Durchschnitt, Atmung und Luftqualität, Kleidung – die zweite Haut und Anderes darunter. Biologisch orientierte Inhalte werden somit nicht übermäßig lang behandelt.
Die studierten Fächer der Lehrkräfte
Annahme: Die Lehrpersonen orientieren sich eher an den Fächern, welche sie studiert haben, sodass einige Inhalte intensiver behandelt werden als andere.
Ergebnis: Es lässt sich kein genaues Ergebnis feststellen. Allerdings weisen besonders die Lehrkräfte, welche Chemie studiert haben, fächerübergreifende Aspekte auf.
Das fächerübergreifende Unterrichten
Annahme: Es liegen bestimmte Rahmenthemen vor, in denen vermehrt auf fächerübergreifende Inhalte zurückgegriffen wird.
Ergebnis: Durch die starke Schwerpunktverlagerung innerhalb der einzelnen Rahmenthemen ist ein integriertes fächerübergreifendes Arbeiten kaum möglich. Die Inhalte der einzelnen Rahmenthemen werden nicht verbunden, sondern oftmals durch Prüfungen oder Ferien voneinander getrennt (epochaler Charakter).
Fazit
Die Fächer Biologie, Chemie und Physik erhalten im NaWi-Unterricht nicht die gleiche Aufmerksamkeit. Die Analyse zeigt sehr deutlich, dass es vor allem das Fach Biologie ist, welches unter besonderer Berücksichtigung unterrichtet wird. Des Weiteren gehen nicht alle Lehrkräfte auf alle Inhalte des Bildungsplans ein, obwohl dieser dies strikt vorgibt. So kommt es, dass sieben Klassen ohne die Grundlagen der Mechanik in den Physikunterricht der neunten Klasse eintreten.
Weiter bleibt festzuhalten, dass an den untersuchten Schulen kaum ein integratives Arbeiten gefunden werden konnte. Der Bildungsplan bietet zwar Ansätze und zeigt Inhalte unterschiedlicher Disziplinen auf, welche innerhalb der Rahmenthemen behandelt werden sollen, die Umsetzung an den Schulen bleibt jedoch auf die einzelnen Fächer beschränkt. Es kann somit kaum
dem Anspruch eines fächerübergreifendem Konzepts nachgekommen werden.